Medizin-Geschichten

Die Heilpflanze des Monats Dezember 2016
Kurioses, Bizarres, Interessantes

Folge 56: die letzte Folge

Seit fast fünf Jahre läuft diese kleine Rubrik, in der jeden Monat Geschichten von einer Heilpflanze erzählt werden. Nun ist Schluss, dieses ist die letzte Folge.

Viele kuriose oder interessante Geschichten haben hier gestanden. Etwa, dass das Pils nach dem Bilsenkraut genannt ist, dessen Samen Bierbrauer bis ins 17. Jahrhundert hinein dem Bier zugesetzt haben, um es stärker berauschend zu machen; dass unser Wort „Heide“ sich vom Heidekraut ableitet, denn die christlichen Missionare trauten sich nicht in die kargen Landschaften, wo das Heidekraut wuchs, so blieben die dortigen Bewohner eben heidnisch; dass die damaligen Weltmächte Spanien und Portugal 1521 den „Nelkenkrieg“ führten, in dem es um das Monopol über Gewürze wie die Gewürznelke ging; dass in Großbritannien nach dem Ersten Weltkrieg eine Schneeglöckchen-Manie, die Galanthomanie, ausbrach; dass der Frauenmantel die Pflanze der Alchemisten war, die sich von ausgeschwitzten Wassertropfen in den Blätter Hilfe bei der Herstellung des „Stein der Weisen“ versprachen; dass 1793 verordnet wurde, das Gänseblümchen in Deutschland auszurotten, denn es war ein beliebtes Abtreibungsmittel – und dergleichen mehr, nachzulesen in den vorangegangenen 55 Folgen.

Natürlich gibt es noch viel viel mehr Heilpflanzen, von denen sich spannende Geschichten erzählen ließen. Hier noch ein paar kurze Beispiele:

So gehörten außer etwa der Tollkirsche, dem Bilsenkraut und der Alraune auch der Gemeine Stechapfel (Datura stramonium) zu den so genannten Hexenpflanzen (siehe unter Schwarze Tollkirsche). Die Datura ist sehr giftig und wirkt halluzinogen. Auch ihre Samen wurden früher dem Bier zugesetzt, um den Rausch zu verstärken. Überhaupt war die Pflanze ein beliebtes Rauschmittel. Selbst für Morde wurde der Stechapfel gebraucht. So hat das Staatliche Chemische Laboratorium in Indien zwischen den Jahren 1950 bis 1965 fast 3000 Todesfälle durch Datura-Arten untersucht.

Über fünf Zentimeter lang können die dekorativen weißen Blüten des Stechapfels werden. Der Name bezieht sich natürlich auf die stachelige Frucht. Andere deutsche Namen sind Stachelnuss oder Dornkugel. Die Datura wurde außerdem Donnerkugel genannt, denn die Pflanze galt als gewitterabweisend. Foto: Armstrong

Eine der bekanntesten Heilpflanzen bei uns ist der Baldrian (Valeriana officinalis). Er ist eine alte Medizinalpflanze. Aber er galt auch als zauberabwehrendes Mittel. Wahrscheinlich wegen seines unangenehmen Geruchs. Baldrian wurde außerdem für Liebeszauber verwendet. Ein Liebesrezept aus dem Mittelalter lautet: „Nimm Baldrian in den Mund und küsse die, die du haben willst, sie wird dir gleich in Liebe gehören.“ – Und das trotz des unangenehmen Geruchs.

Ebenfalls zu den beliebtesten Heilkräutern zählt der Salbei (Salvia sp.), dessen Name sich vom Lateinischen „salvare“ = heilen ableitet. Verschiedene Salbei-Arten wurden bei Räucherzeremonien eingesetzt, etwa, um Dämonen oder Hexen zu vertreiben, aber auch bei Hochzeiten, Geburten oder nach dem Tod. Die ätherischen Öle haben in Kranken- und Sterbezimmern einen desinfizierenden Effekt. Vor allem in England war Salbei ein Symbol des göttlichen Heils.

Diese langen roten Blüten sind die des Ananassalbei (Salvia elegans). Viele Salbei-Arten wurden und werden medizinisch und anders genutzt. Vor allem aus England sind auch einige Anekdoten um den Salbei bekannt. So hieß es etwa, Salbei blühe nur dann, wenn der Ehemann nicht Herr im Haus sei. So mancher Mann mag deshalb die Knospen abgeschnitten haben. Foto: Armstrong

Salbe aus Beinwell (Symphytum officinale) wird mit Erfolg gegen Muskel- und Gelenkschmerzen eingesetzt. Schon der botanische und der gebräuchliche deutsche Name deuten darauf hin, dass die Pflanze als Heilmittel bei Knochenbrüchen eingesetzt wurde: Symphytum kommt vom griechischen Wort „symphyein“, zusammenwachsen. „Bein“ steht für Knochen, und „well“ kommt vom alten Wort „wallen“. So wurde das Zusammenheilen von Knochen bezeichnet. Volkstümliche Namen sind auch Wallwurz, Schadheilwurz und Wundallheil – Zeichen dafür, dass die Pflanze als Wundheilmittel hochgeschätzt war.

Doppelwickel wird der Blütenstand des Beinwell genannt. Die Pflanze ist nicht ungefährlich. Vor allem Blätter und Wurzel enthalten Alkaloide, manche davon starke Lebergifte. Viel Beinwell im Futter-Heu kann deshalb für Nutztiere ungesund sein. Früher allerdings galt das Kraut als Mittel, den Milchertrag zu erhöhen – es wird auch „Milchwurzel“ genannt. Bei Pferden sollte es das Fell schön und glatt machen. Foto: Armstrong

Zu den ältesten Heilpflanzen gehört ebenfalls die Brombeere (Rubus fructicosus). Bereits in den hippokratischen Schriften werden Früchte und Blätter als Heilmittel erwähnt. Im Mittelalter sollte es gegen verschiedene Krankheiten helfen, wenn man unter den Zweigen des dornigen Brombeerstrauchs durchkriecht…  eine kratzige Angelegenheit.

Nicht nur die Brombeere, auch viele andere Heilpflanzen sind dornig. Etwa auch die Hauhechel (Ononis spinosa). Sie gehörte auch zu den Mondkräutern oder Lunaria. Das waren Kräuter, denen nachgesagt wurde, sie könnten unedle Erze in Silber verwandeln.

Die zartrosa Blüte der Hauhechel. Der eigenartige Name deutet darauf hin, dass diese dornige Pflanze mit einem alten Werkzeug, der Bauernhaue, aus dem Boden gegraben werden musste. Außerdem wurde die Pflanzen mit einem Stachelwerkzeug zum Durchziehen des Flachses, dem Heckel oder Hechsel, verglichen. Es war sicher vor allem für Frauen harte Arbeit, die dornige Hauhechel aus dem harten Boden zu hauen – kein Wunder, dass sie auch Weiberkrieg genannt wurde.. Foto: Armstrong

Und schließlich die Rose (Rosa sp.). Von der Heckenrose wurde bereits einiges erzählt (siehe dort). Aber auch die duftenden Edelrosen, die aus dem Orient nach Europa gekommen waren, waren mehr als Luxus. Rosen gehörten seit jeher zu den Pflanzen in den Apothekergärten der Klöster. Allein ihre Schönheit und ihr Duft wirken positiv und ausgleichend auf das Wohlbefinden. Doch manche Arten waren echte Arzneipflanzen. Rosa gallica officinalis trägt denn auch den bezeichnenden deutschen Namen „Apothekerrose“, denn alle Teile dieser besonders intensiv duftenden alten Rose wurden für medizinische Zwecke genutzt.. Es wird vermutet, dass die Apothekerrose sogar die älteste in Europa kultivierte Rose ist und von Anfang an medizinisch genutzt wurde.

Die Apothekerrose ist die Rose, die vor allem medizinisch genutzt wurde und wird. Edelrosen haben außer als Arzneipflanzen und als weltweites Symbol für Liebe und Schönheit noch eine weitere Bedeutung. Bei den alten Ägyptern waren Rosen dem Gott des Schweigens, dem Geheimnisbewahrer Harpokrates (dem Horus-Kind) geweiht. Deshalb haben Geheimgesellschaften wie die Rosenkreuzer die Blume als Symbol gewählt. „Sub rosa dictum“, das unter der Rose Gesprochene ist für sie das absolut Vertrauliche. Aus diesem Grund wurden früher über dem Tisch, an dem man mit Freunden bei vertrautem Gespräch sitzt, Stuckrosen angebracht. Und das ist auch der Grund, weshalb Beichtstühle oft mit geschnitzten Rosen verziert sind. Foto: Armstrong

Die Rose ist ein passender Abschluss für diese Serie um die Kulturgeschichte der Heilpflanzen: Bei den Ägyptern war sie nämlich dem Gott des Schweigens geweiht…

Quellen:
Hauptsächlich Gerhard Madaus: „Bioheilmittel“, Marianne Beuchert: „Symbolik der Pflanzen“ und Katalog „Druidenfuß und Hexensessel“, Ausstellung über magische Pflanzen, Frankfurt am Main 2004

Ursula Armstrong | Redaktion | Sperberweg 2 | D-82152 Krailling | Telefon: +49 (0) 163 / 313 21 10 | e-mail: mail@uschi-armstrong.de | www.redaktion-armstrong.de

Alle Heilpflanzen des Monats

Weiß sind die Blüten der Brombeere. Das Wort soll auf das mittelhochdeutsche „brâme“ zurückgehen, das ganz allgemein Dornstrauch bedeutet. Obwohl oder vielleicht sogar weil der Strauch so dornig ist, galt es als heilsam, unter ihm durchzukriechen. In Sussex in England zum Beispiel mussten Kinder, die an Hautausschlag litten, neunmal an neun aufeinanderfolgenden Tagen bei Sonnenaufgang unter einem Brombeerstrauch durchkriechen.  
Foto: Armstrong